04.12.14

Rotlila...

Heute in frostiger Frühe spazierten wir mit dem Hund wieder einmal zu Fluss. Weil der Weg dorthin  leicht abfallend ist und in dieser wechselhaften Wettersituation dazu nicht selten besonders glatt, bewegen wir uns lieber auf der Allee. Dort ist immer leicht gestreut. 
An der Brücke gibt es ein kleines Fitnesseckchen. Da sind über die wärmere Jahreszeit vorwiegend Männer aller Altersklassen bei ihren Übungen. Unter den sehr wenigen Frauen ist eine schlanke Ältere, die mit ihren lilaroten Haaren extrem hervorsticht. Sie war auch heute da - jedoch ganz ohne männliche Begleitung. Minus acht Grad sind für die Herren der Schöpfung schon nicht mehr erträglich.
Nachdem die Dame ihren Spaziergang im Park mit drei Klimmzügen beendet hatte, bewegte sie sich heim. Unser Hund zeigte, dass er auch nach Hause wollte. Deshalb bat ich, sie begleiten zu dürfen. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass sie 78 Jahre alt ist, noch arbeitet und mit ihrem Mann gemeinsam noch eine große Zahl Bienenstöcke betreut. Dazu singe sie ebenfalls im Chor und geht seit 48 Jahren regelmäßig bei jedem Wetter spazieren, macht ihre Gymnastik.
"Als ich 30 Jahre alt war, hatte ich Probleme mit dem Herzen. Die Ärzte schickten mich zur Kur ins Gebirge. Dort erledigte ich fügsam alle Prozeduren, war aber vorwiegend inaktiv. Bis ich eines Morgens sah, wie eine Gruppe von Leuten fröhlich schwatzend zum Waldrand aufstiegen. Ich bin neugierig und folgte ihnen. Auf einer Lichtung bei frischer Luft tanzten sie, machten Gymnastik. Mich luden sie zum Mittun ein. Ich solle mich hinter alle stellen, um mich nicht zu genieren. Mir gefiel das Ganze, vor allem die ungezwungene Stimmung. Seit diesem Morgen bin ich körperlich aktiver. Zu Hause wische ich auch den Fußboden ohne Schrubber auf, nur in gebückter Haltung. Bewegung ist eben doch Leben." 

Dass ich nicht mehr ganz so fit bin wegen meiner Invalidität des linken Knies, nahm sie zur Kenntnis und sagte lobend, dass ich nach ihrer Beobachtung doch ein unermüdlicher Wanderer sei. Also viel aktiver als meine Altersgenossen. Und deswegen bei guter Grundgesundheit.

Unter ihrer Strickmütze lugten einige Strähnen der lilaroten Haare hervor und ich musste plötzlich schmunzeln. Sie wollte den Grund dafür wissen. Ich erzählte, dass Frau und Stiefsohn vorgestern als Geschenk vom Dorf viel Obst und Gemüse sowie Kartoffeln mitgebracht hätten. Auch eine Flasche mit einem roten Obst-Gemüsesaft. Der war wohl ein wenig gegoren und dazu über rund 60 km im Auto geschüttelt worden. Als der Sohn sie im Bad vorsichtig aufschraubte, pfiff ein Strahl daraus hinaus und zum Glück nur auf die gekachelte Wand. Ein rotlila Sonnenmuster! Da er daran ja nicht schuldig war, haben wir uns an der unerwarteten Situation erfreut. Ihre Haare hätten mich daran erinnert. Sie bewies Humor und lachte auch ein wenig.

Ein Morgenspaziergang - gesund, erbaulich und fröhlich. Besser für Leib und Seele kann ein Tag nicht beginnen.

Bleiben Sie recht gesund!

Ihr

Siegfried Newiger 




 

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