19.10.14

Wochenernte

Sind Sie bereit dazu, sich ein wenig in die Situation eines 77-jährigen hineinzudenken? Dann sollten Sie zuerst verinnerlichen, dass für ihn die Wahrscheinlichkeit, am nächsten Morgen zu erwachen, wesentlich geringer ist als für einen gesunden 27-jährigen. Damit kommt die erste Besonderheit in sein Leben: ich lebe noch

Wenn der Greis dazu  die Sicht vom bekannten Urwaldarzt Albert Schweitzer ebenfalls beherzigt, wird der Tag sofort noch schöner, selbst wenn draußen der Regen pladdert: "Optimistisch ist diejenige Weltanschauung, die das Sein höher als das Nichts stellt und so die Welt und das Leben als etwas an sich Wertvolles bejaht.
Wie sagte Marc Aurel schon vor rund 1800 Jahren so passend: "Das Glück deines Lebens hängt ab von der Beschaffenheit deiner Gedanken." Deshalb folgen hier für mich bemerkenswerte Ereignisse der vergangenen Woche in der Reihenfolge ihres Geschehens. 

Am Montag ging ich in der Frühe auf den Basar. Am Ausgang war ein Stand, an dem es voll ausgereifte Bauernpflaumen gab, die hier "Ungarinnen" genannt werden. Die Verkäuferin hatte zu viele in den Plastikbeutel getan und fragte: "Kann ich das auf glatt zehn Hrywna lassen?" Ich bejahte. Sie: "Opa, ich liebe sie!" Meine Frage: "Ist das ein Angebot oder eine Drohung?" rief bei ihr und den Kundinnen um mich herum fröhliches Gelächter hervor.  

Beim Spaziergang mit Hund dienstags in der Frühe. Ein mir flüchtig bekannter Mann kommt herbei, reicht zum Morgengruß die Hand und sagt: "Vater, von ihnen sagt man. sie wären ein weiser Mensch. Mir geht es heute seelisch nicht besonders. Geben sie mir bitte einen Rat für den Tag, der mich aufrichtet." "Ich erzähle ihnen das Gleichnis vom Rabbi - einverstanden? Den fragte ein junger Mensch etwas ähnliches. Er antwortete dem: "Fange dir dort den hübschen Schmetterling, ohne ihn zu beschädigen." Der Bursche tat wie geheißen und kam zum Rabbi zurück. Jener sagte: "Handele so, dass jede Antwort auf meine Frage falsch ist." Der Junge sah den Rabbi unsicher an. "Wenn ich sage, der Falter in deiner Hand ist lebendig, zerdrücke ihn und öffne danach die Hand. Sage ich, dass der Schmetterling nicht lebt, lasse ihn fliegen." "Was hat das mit meinen Problemen zu tun?" "So wie die Antworten von dir selbst - du hast dein Leben in der Hand." Der Mann sah mich etwas von der Seite an, sagte dann aber: "Danke. Ich habe sie verstanden." Er verabschiedete sich - ich war es zufrieden. 

Am Mittwochmorgen ging ich mit dem Hund zum Fluss. Vor der Holzbrücke hatten wir plötzlich drei Sonnen in den Augen. Links von uns ging die wahre Leuchte soeben auf. Die zweite war deren Spiegelung in den Fenstern des etwa 400 m entfernten Sanatoriums rechter Hand und die dritte kam als auf dem Kopf stehendes Spiegelbild der Reflexion des Gebäudes auf der Wasseroberfläche von halbrechts dazu. 
Auf dem Rückweg hatte sich über dem Fluss Bodennebel gebildet, er dampfte. Gegen den Sonnenschein aus dem Osten sah die Brücke aus, als wenn sie auf den Strahlen schwebte. Denn der Dunst über dem Wasser hatte die Brückenpfeiler regelrecht verschluckt. Am frühen Morgen zwei bemerkenswerte optische Erlebnisse ohne Worte. 
Als ich zum Abendspaziergang mit Hund am Kiosk vorbeikam, in dem unsere gute Bekannte Olga bedient, stand sie auf dem Bürgersteig vor den Kühlfächern, hatte die offensichtlich teilweise neu beschickt. An diesem Tag war sie besonders wirkungsvoll bekleidet, was hinter dem kleinen Fenster im Kiosk nicht so auffiel. Ich musterte sie gründlich. Sagte dann: "Sie sehen heute aber besonders gut aus." "Deshalb haben sie mich so ungeniert angesehen? Sie sind eben noch ein Mann!" Ich antwortete: "Wenn mir das so betont gesagt wird, sind sie dazu noch eine verständige Frau!" Wir verabschiedeten uns lachend voneinander.  

Am Donnerstag bei etwas regnerischem Wetter spazierten Hund und ich nur die Allee entlang. Der Mann vom Dienstag kam uns entgegen, wünschte Guten Morgen! und bat. "Heute bin ich gut drauf. Aber vielleicht geben sie mir doch ein weises Wort mit in den Tag?" Da fiel mir nichts Besseres ein als: "Dann tun sie heute doch anderen viel Gutes - das kommt zu ihnen zurück." Er verabschiedete sich dankend und lächelnd.  

Gestern nun in der Frühe auf der Allee kam ein rauchender Mann hinter unserem Rücken auf der dem Hund abgewandten Seite an mich heran und fragte, ob ich ihm helfen wolle. Manchmal müsse man sich eben mit einem Mann aussprechen. Da er recht "zerknittert" aussah, sagte ich zu. Er berichtete, dass er im Auto übernachtet hätte, um seine Stiefenkelin nicht zu verprügeln. Die 17-jährige Enkelin seiner zweiten Frau hätte beiden gestern Abend mitgeteilt, dass sie im vierten Monat schwanger sei. Könne auch nicht genau sagen, von wem sie das Kind erwarte. Wir haben uns mit ihm fast 20 Minuten unterhalten. Auch darüber, dass in der gegenwärtigen Zeit mit fehlender Gegenwehr von uns Erwachsenen der gesellschaftliche Einfluss der meisten Massenmedien mit dazu führte, dass vielen Jugendlichen zu wenig Verantwortungsbewusstsein anerzogen, genauer vorgelebt wurde. Er bedankte sich erleichtert, wie er sagte.

Aus diesen Erlebnissen waren meine Glückspuzzles in dieser Woche geschnitten. 

Bleiben Sie recht gesund! 

Ihr 

Siegfried Newiger




 

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