In einer sehr hitzigen Diskussion ging es zwischen guten Freunden um einige Probleme der Erziehung unserer aller Enkel. Genauer um die Fehler, welche einige unserer Kinder dabei machten.
Die Zuspitzung hatte ich provoziert. Weil ich den extrem zutreffenden Satz vom tschechischen Pädagogen Pestalozzi zitiert hatte: "Erziehung ist Liebe und Vorbild."
Denn der enthält doch eine von uns als Generation der schon Urgroßmütter und -väter erlebte Art, Kinder zu erziehen. Wir hatten alle Eltern, die in der schwierigen materiellen und psychologischen Situation nach dem unseligen 2. Weltkrieg aus heutiger Sicht eigentlich keine Zeit hatten, uns zu erziehen. Denn in allen mir bekannten Familien und auch denen unserer alten Freunde war es üblich, den dem Großen Krieg entkommenen Sprösslingen besondere Liebe entgegenzubringen, sie zum Anderen mit allen Pflichten jedes Mitglieds der Familie vertraut zu machen. Auch damit zu belasten, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatten.
Dazu gehörten alle Arbeiten im Haushalt und auch außerhalb. So lernten wir fast spielend arbeiten. Unsere Spiele waren, weil es kaum Radio, weder Fernsehen noch Computer gab, in jeder Jahreszeit gewöhnlich bewegungsintensiv. Obwohl ich ein rechter Bücherwurm war, konnte ich mir das Vergnügen nur dann leisten, wenn draußen kein "Spielewetter" war oder unsere Schuhe sowie Kleidung der Situation nicht entsprachen.
Mit Holzpantoffeln an den Füßen in dicken Socken lässt sich bei 20 cm Schneehöhe eben kein Fußball spielen.
Ja, der Mangel in den ersten Nachkriegsjahren erforderte die Mitarbeit eines jeden, um Eßbares und Heizmaterial zu beschaffen. Während wir auf dem Dorf auf die Äcker zogen, um Ähren zu sammeln (manchmal auch zu klauen) oder aus den von den Bauernfamilien sauber nachgelesen Furchen doch die eine oder andere übersehene, danach vom Regen ausgewaschene Kartoffel zu klauben, hatten es die Städter schwerer.
Wir Dörfler gingen in den umgebenden Wald, um herabgefallenes Brennholz zu sammeln. Sie streunten um Entladebahnhöfe herum, wo sie heruntergefallene Kohle oder anderes Brennmaterial aufsammelten, auch mausten. Wie sie auf unterschiedliche Weise an Getreide, Kartoffeln, Gemüse oder Obst kamen, war häufig noch abenteuerlicher. Dass beide Seiten auch auf winzigen Gartenstückchen allerlei Eßbares anpflanzen, bewachen und ernten halfen, gehört in den Bereich Mitarbeit.
Jedoch hat diese oben erwähnte Art der "Beschaffung" aus keinem der mir bekannten Kriegskinder einen Dieb gemacht. Alle verstanden das von ihren ehrlichen Eltern vorgelebte "Not kennt kein Gebot".
Nun sind unsere Enkel und Urenkel in angeblich viel bessere Bedingungen hineingeboren worden. Haben zumindest in Deutschland zum größten Teil ausreichend zweckmäßige Kleidung und Nahrung. Allerdings nur die von uns nicht gut genug erzogenen Eltern. Werden folglich zumeist nicht optimal erzogen.
In der oben erwähnten Unterhaltung waren wir soweit gekommen. Unsere selbstkritische Einschätzung war bis an diesen Punkt gelangt. Wir hatten uns darüber verständigt, dass wir mit den ersten "Marscherleichterungen" für unsere eigenen Kinder, denen wir "ein etwas leichteres Leben" als das eigene sichern wollten, den Kardinalfehler begingen, der auf die heutigen Jugendlichen so haufig durchschlägt.
Zum Thema der Überschrift mehr im nächsten Post.
Bleiben Sie recht gesund!
Ihr
Siegfried Newiger
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